Schön wenn Ausschaffungszentren in Flammen stehen
Australien

Australien hat vom 27. bis 30. Dezember 2002, eine Welle von Aufständen und Brandstiftungen erlebt, die fünf der sieben geschlossenen Zentren verwüsteten. Dieses Land besitzt, so wie viele andere, eine solide Tradition von Lagern (von englischen Delinquenten die man auf den Inselkontinent der Aborigines ausschaffte, um ihn zu kolonisieren, bis zu den deutschen Kriegsgefangenen die hier durch die Vereinigten Staaten festgehalten wurden). Es bietet die Besonderheit, die Immigranten jahrelang in den gewaltigen Internierungslagern gefangen halten zu können, bis über ihren Fall entschieden wird (oftmals Asylanfragen).

Die Internierungslager

Es war die Labour-Regierung, die 1992 beschloss, alle Asylsuchenden ohne Papiere in Internierungslagern einzusperren. Momentan vegetieren da fast 3000 Menschen vor sich hin, wovon 600 minderjährig sind. Ein Drittel der Flüchtlinge stammen aus Afganistan, dem Irak und dem Nahen Osten, der Rest aus Asien. Seit dem September 1997 wurde die Verwaltung der Lager dem Privat-Betrieb namens Australasian Correctonal Management (ACM) übergeben, eine Filiale des amerikanischen Unternehmens Wackenhut, das bereits 55 Gefängnisse in sieben verschiedenen Ländern betreibt. Selbstverständlich haben ihre Angestellten mit der Segnung des australischen Staates, allen Raum ihre Grausamkeit auszuleben. Im Mai 2002 wurde Wackenhut durch die weltweit grösste Firma für private Sicherheit übernommen: Group 4 Falck1. Diese verwaltet vorallem Internierungszentren in England, darunter jenes von Yarls Wood (nördlich von London), das im Februar 2002 nach einer Revolte in Flammen aufging. Sie besitzt auch das australische Gefängnis von Port Philip (in Melbourne) das wegen der hohen «Selbstmord»-Rate der Gefangenen regelmässig für Gerede sorgt. Am 23. Dezember 2002, übernahm das Unternehmen den Markt der Internierungslager in Austalien für einen Betrag von 100 Millionen Euro pro Jahr, indem er noch niedrigere Preise bot als ACM. Philip Ruddock, der Minister für Immigration, hat sogar präzisiert, dass Group 4 aufgrund ihrer Erfolge «in Sachen Aufstände und Ausbrüche» bezahlt würde.
Denn die Revolten vermehren sich, in dieser Situation des unerträglichen Abwartens ohne Perspektive, der konzentrationslagermässigen Verhältnisse (Zelte in der Wüste, wie in Woomera, umzäunt mit elektrischem Stacheldraht und abgeschirmt durch Schliesser/Wächter und Kameras), der Folter und fehlender medizinischer Versorgung (wie ein Flüchtling bezeugt, der 15 Tage ohne Verpflegung mit einem gebrochenen Bein ausharren musste). Im Juni 2000 entfliehen gegen 700 Flüchtlingen aus dem Lager in Woomera, Curtin und Port Hedland. Sie ziehen richtung Stadtzentrum, um gegen ihre Verhältnisse zu protestieren. Infolge von Demonstrationen, gehen in Woomera vom 25. August an einige Gefangene in den Aufstand, sie schmeissen Steine nach den Wärtern und stecken Gebäude (Esssaal, Schule, Sanitär, «Entspannungsraum») in Brand, darunter auch das Gebäude der Administration. «Am 28.August gebrauchten sie die Baupfähle einer zweiten Umzäunung wie Lanzen gegen die Wärter, während sie versuchten durch die Löcher in der Umzäunung auszubrechen.» Im August 2000 stiften (grösstenteils) Chinesen einen Aufstand an, bei welchem dreizehn Wärter verletzt werden und durch dessen Verwüstung von hauptsächlich drei Gebäuden, ein Schaden von mehreren Millionen Euro entsteht. Im Januar 2001 greiffen gegen 180 Flüchtlinge (grösstenteils aus dem Nahen Osten) die Wärter mit Steinen und eisernen Stangen an und halten das Lager bis zur Intervention der Polizei unter ihrer Kontrolle. Am 27. Februar 2001 fallen 40 Flüchtlinge die Wärter an, um gegen die Ausweisung in den Nahen Osten von dreien von ihnen zu protestieren. Am 3. April 2001 reissen 200 Flüchtlinge des Lagers von Curtin «die innenere Umzäung herunter, machen Löcher hinein, legen Feuer und brennen zwei Fertigbauten vollständig nieder». So berichtet die Polizei. Im November 2001 bricht aufs Neue ein Aufstand in Woomera aus: Drei Gebäude gehen in Flammen auf. Nebst den individuellen Ausbruchsversuchen und einigen Selbstverbrennungen, gehen im Januar 2002 nach einer Asylverweigerung, ungefähr 350 Flüchtlinge für sechzehn Tage in Hungerstreik, um zu erreichen, dass das Dossier der Afgahnen behandelt wird und, dass sie nach dem Sturz der Taliban nicht zurückgeschickt werden. Fünfzehn unter ihnen haben sich soger den Mund zugenäht und eine Person wirft sich selbst in den unter hochspannung stehenden Stacheldraht. Die Regierung gibt nach, zumindest dieses eine Mal. Schliesslich ermöglicht, aufgrund der Mobilisierungen vor dem Lager in Woomera, im März 2002, der Angriff auf die Umzäunung von ausserhalb und die Konfrontation zwischen Demonstranten und Ordnungsdiensten die Flucht von 35 Sans-Papiers (15 sind noch immer spurlos verschwunden); am 27. Juni 2002 gelingt es weiteren 50 auszubrechen.

Allerdings ist der Staat während all dem nicht ruhig sitzen geblieben. Am 19. Oktober 2001, sinkt ein Boot vor der Küste Australiens (aber gerade noch in internationalem Gewässer), mit 424 Personen (davon 150 Kinder) an Bord. Australien hat der Harapanindra verweigert an der Küste anzulegen und das Boot zurück nach Indonesien geschickt, woher es kam. Bloss 45 Überlebende können Stunden später von indonesischen Fischern auf diesem lottrigen Kahn von 19.5 m Länge und 4 m Breite noch gerettet werden. Einer der Verantwortlichen der australischen Bundespolizei, Mick Keelty, weigert sich im Namen des «öffentlichen Interesses» auf jegliche Fragen einer angeblichen Untersuchskommission des Senates zu antworten. Zwei Monate davor, im August 2001, hatte die australische Regierung einen noch feineren Zug gemacht: Nach dem sie dem norwegischen Frachter Tempa mit 460 Afghanen an Bord verweigerte auf australischem Boden (bei der Insel Christmas) anzulegen, wurden sie in den Mikro-Staat Nauru ausgeschafft (wo sie noch immer am warten sind). Eine erste Gruppe von 800 und eine weitere von 400 Asylsuchenden, schickte man dann gleich hinterher. Von diesem Zeitpunkt an, verhindert die australische Kriegsflotte, dass sich Flüchtlingsboote der Küste nähern, was zwei Monate später als unmittelbare Konsequenz, zum Mord an den hunderten von Flüchtlingen auf der Harapanindra führt. Im Moment sitzen ungefähr 2200 Flüchtlinge (Afghanen, Sri-Lankesen und Iraker) in verschiedenen Lagern auf der Insel Nauru (12‘000 Bewohner auf 12 km2) fest, dem australischen Alcatraz. Dieses Mikro-Land, gelang zwischen 1919 und 1968 durch die Aushebung von Phosphorminen zu Reichtum, jetzt, wo die Grundstoffe ausgeschöpft sind (kein kultivierbares Land, doch ein Paradies für Fischer), akzeptierte es bereitwillig den Deal mit seinen Nachbarn: Die Erlassung seiner Schulden (ca. 18 Millionen Euro und noch etwas mehr für den Bau der neuen Lager) und das Bezahlen aller Kosten, die für das Betreiben der Lager anfallen. Australien überwies schon 29 Millionen Euro an die Regierungen von Papua-Neu-Guinea (ein anderer Staat, der bereits 1000 Flüchtlinge aus australischen Lagern aufnahm) und Nauru, für den Bau neuer Zentren. Insgesamt beläuft sich das australische Budget auf 170 Millionen, wobei 120 Millionen für jedes der kommenden fünf Jahren vorgesehen sind. Nach der Weigerung von Fidji, stehen die Inseln Kiribati, Palau und die Kokosinseln in Verhandlung. Nebst der Küstenwache setzt die australische Marine fünf Kriegsboote und vier Erkennungsflugzeuge permanent einzig dazu ein, die Boote der Sans-Papiers zu vertreiben. Schliesslich verschärften die Labour-Partei und die Konservativen im September 2001 die Einwanderungsgesetze: Die Marine darf nun die Boote die in territorialen Gewässern vor Anker liegen, mit Gewalt wegschleppen; illegale Immigranten können im besten Falle, eine Aufenthaltsbewilligung für gerade mal drei Jahre bekommen (somit gibt es keine Hoffnung auf eine definitive Aufenthaltsbewilligung mehr) und die Familienwiedervereinigung wird abgeschafft. Dieses neue Gesetz, die Ausschaffung nach Nauru und das Vertreiben der Harapanidra, zum Preis von 353 Toten, hat dem Premierminister Hohn Howard ermöglicht, am 10. November 2001, zum dritten Mal wiedergewählt zu werden. Der 11. September 2001 oder das Attentat in Bali am 12. Oktober 2002 (192 Tote in einem Nachtklub, davon 88 Australier), haben nur wenig an der rassistischen Kontinuität des australischen Staates verändert. Bis auf eine Ausnahme: Die Regierung baklagt jetzt, dass die Lager Terroristen «beherbergen» und lancierte am 29. Dezember 2002 eine drei monatige Anti-«Terrorismus» Kampagne.

Die schönen Aufstände des Dezembers

Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als in fünf der sieben Lager Aufstände ausbrachen, als die Gefangenen ein Mal mehr beschlossen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Am Freitag dem 27. Dezember bricht im Lager von Baxter ein erster Brand aus, der drei Räume und den sanitären Block des Flügels Red 1 zerstört. Die Flüchtlinge werden in den Flügel Red 2 gebracht. Das Lager von Baxter, das in der Nähe der Stadt Port Augusta im südlichen Australien liegt, ist ein Projekt das am 23. August 2001 gestartet und ein Jahr später fertiggestellt wurde. Dieses Gebäude, gebaut in abgesperrtem Militärgebiet, ist ein Hochsicherheits-Gefängnis mit elektrischem Stacheldraht, 24h Kamerabewachung, Kerker (wo Gefangene gefesselt werden und ein Tuch vor die Augen gebunden bekommen), Schlägen und einem extrem straffen Reglement: Schriftliche Anfragen um sich in dem Lager bewegen zu dürfen, obligate Freundlichkeit etc. «Seit man Woomera mit der Hölle verglich, gibt es keine Worte mehr um Baxter zu beschreiben», wie ein Gefangener sagte. Am Samstagabend, dem 28. Dezember, stecken drei neue Brandherde, mit hilfe von Leinen, Möbeln und Vorhängen aus dem Red 2 Flügel, das Gefängnis in Flammen. Dieses Mal wird das Lager fast vollständig zerstört, 64 der 79 Zimmer (17 der 19 Gebäude) werden verwüstet oder beschädigt. Am nächsten Morgen bricht ein letzter Brand aus um das Werk zu vollenden, er entsteht in dem Speiseraum des Flügels White 2 (wo sich die Gefangenen regruppiert hatten): 17 weitere Zimmer gehen in Flammen auf. Dieses nagelneue Lager, dessen Bau nicht weniger als 22,3 Millionen Euro gekostet hatte, wurde dadurch einer ersten radikalen praktischen Kritik unterzogen, indem es von 215 Gefangenen (55 von ihnen wurden Angeklagt, und ihr Asylantrag wird systematisch verweigert) grösstenteils unbrauchbar gemacht wurde. 11 Flüchtlinge und zwei Wärter mussten aufgrund einer Rauchvergiftung behandelt werden. Erstere wurden teilweise von Wärtern in Anti-Aufrur Ausrüstung dazu gezwungen, in den brennenden Gebäuden zu bleiben. Die erste Reaktion, und voller gutem Wiederaneignungswillen, kam von dem Direktor der Agentur für lokale Entwicklung aus Port Augusta, Andrew Eastick: «Nun, es wird bestimmt ökonomische Folgen nach sich ziehen, obschon es tragisch ist, in solchen Worten zu argumentieren. Aber es ist klar, dass einiges an Wiederaufbauarbeit und Aufräumen nötig sein wird, und der grösste Teil dieser Arbeit wird den Betrieben und den Menschen von hier zufallen.»

Das Lager von Port Hedland (im Osten von Australien), inmitten eines Wohnviertels, wurde auf den Fundamenten der Gebäude erbaut, in denen die alleinstehenden Arbeiter der Minenindustrien aus den 60er Jahren aufgenommen wurden. 1991 wurde es, vorallem aufgrund seiner Nähe zum internationalen Flughafen, zu einem Internierungslager umfunktioniert, was die Deportationen vereinfachte. 2001 wurde das Sicherheitsdispositiv beträchtlich ausgebaut. Zur Zeit des Aufstandes, zählt das Lager 146 Personen, verteilt auf 11 verschiedene Blöcke. Dieser ereignet sich von Sonntag auf Montag den 30. Dezember, in der Nacht nach demjenigen von Baxter. Das Feuer zerstört ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr, ein riesiges Lagerhaus (in welches sie einbrachen) und einen der Zellenblöcke. Mehrere umliegende Häuser müssen aufgrund des Rauches evakuiert werden und zwei Wärter aus dem selben Grund ins Spital eingeliefert werden. 20 Flüchtlinge sitzen dafür auf der Anklagebank. Sofort wurden die Hälfte der 16 Zellen auf der Polizeiwache in South Hedland durch die ACM (die Privat-Firma, die die Lager verwaltet) reserviert, um die ersten Untersuchungen abzuwarten. Was das finanzielle betrifft: Die Schäden waren noch höher als in Baxter (ungefähr 1,7 Millionen Euro).

Nach jenem im Hochsicherheitslager in Baxter und jenem in Port Hedland, bricht in Woomera (ebenfalls im Süden von Australien) der dritte Aufstand aus. Laut dem Minister für Immigration, richteten die gesamten Aufstände in den Internierungslagern während der letzten 18 Monaten, bereits einen Schaden von 2,8 Millionen Euro an, wovon ¾ dem Aufstand in Woomera zugeschrieben werden. Das Lager befindet sich mitten in der Wüste, 500 km von Adelaïde entfernt. Es wurde ende der 50er Jahre gebaut um die Arbeiter für den Bau eines Bürokomplexes unterzubringen. 1999 wurde es zu einem Lager, das man fortwährend ausbaute und dessen Sicherheitsdispositiv stehts vergrössert wurde. Am Morgen des Sonntag dem 29. Dezember, werden die ersten zwei Brände im sanitären Block gelegt (5 Gebäude darunter auch die Toiletten brennen aus). Am folgenden Abend, werden zwei Zellblöcke (37 Gebäude) und zwei Speisesäle in Brand gesteckt, welche teilweise oder vollständig zerstört werden. Die Feuerwehrmänner benötigen mehr als vier Stunden, um das Feuer zu löschen. 130 Flüchtlinge, hauptsächlich aus dem Nahen-Osten und aus Afghanistan, müssen in einen andern noch ungebrauchten Flügel verlagert werden. Der Schaden, noch massiver als die vorhergehenden, beträgt 1,95 Millionen Euro. 7 Personen werden sofort in ein Gefängnis überführt. Es wird eine grossflächige Durchsuchung des Lagers durch die Polizei eingeleitet, während die Flüchtlinge zwei Tage draussen auf dem Basketballfeld verbringen müssen, sitzend und gefesselt, von 10 Uhr morgens bis 9 Uhr abends ohne Wasser und unter der brennenden Sommersonne. Die drei Familien des Lagers, werden nach Baxter verschoben, während die anderen, die Alleinstehenden, unter Druck gesetzt werden, eine Vereinbarung zur Ausweisung in den Iran oder nach Afghanistan zu unterzeichnen (der Grossteil hat ihre Rekurse ausgeschöpft. Während der Phase von 2001-2002 hat das Gericht die Anfragen von 62% der Afghanen und 87% der Iraker abgelehnt). Das Telefon wird durchtrennt, Post und Kantine werden den Gefangenen untersagt.

Am Montag dem 30. Dezember, erheben sich die Gefangenen des Lagers von Perth. Ein Wärter wird im Gesicht verletzt. Nachdem sich die Polizei versuchte zwei Flüchtlinge zu überwältigen, die zur Deportation an den Flughafen gebracht werden sollten, rief ihre Rebellion die Solidarität von mehr als fünfzig anderen hervor, worauf die Anti-Riot-Polizei intervenieren musste. Dem folgte die Anklage von vier Personen aufgrund von Agression und Rebellion (gegen ihre Gefangennahme).

Noch am selben Tag, wird ein viertes Internierungslager in Brand gesteckt. Das Lager von Christmas Island, eine in den australischen Gewässern, etwa 2400km westlich von Darwin und 550 km südlich von Indonesien gelegene Insel. Ein isoliertes Gefangenenlager im indischen Ozean, wohin man die boat-people, nachdem sie in den australischen Gewässern aufgefischt werden, dann direkt überführt (die anderen werden durch die australische Kriegsflotte zurück gedrängt, bevor sie die Gewässer überhaupt erreichen). Die ungefähr 40 Gefangenen legen an zwei Stellen Feuer (darunter der Speiseraum) und übernehmen, bewaffnet mit Zeltpflöcken und Rohren, die Kontrolle des Lagers. Dadurch muss die Feuerwehr vorerst draussen bleiben, während sich die Anti-Riot-Polizei den Flüchtlingen gegenüberstellt. «Wir sind uns sicher, dass kein einziges mal ein Revolver benützt wurde», erklärte Jenny Hoskin, Sprecherin des Ministeriums für Immigration, was etwa ein Bild des Ausmasses der Konfrontation abgibt. Nach der Ablehnung ihrer Aufenthaltsgesuche, hatten die boat-people schon bereits am 7. Dezember 2002, einen Wohnblock und den Essaal in Brand gesteckt. Durch die australische Presse sickern jedoch nur sehr wenige Informationen über die Revolten auf dieser Insel.

Der letzte Aufstand, wahrscheinlich auch der gewalttätigste dieses Wochenendes, fand in dem Lager von Villawood, in der Nähe von Sydney, statt. Das Besondere an diesem diesem Lager ist, das hier jene eingesperrt sind, deren Visa abgelaufen ist, diejenigen die den Bedingungen nicht mehr entsprechen (keine fixen Angaben von Arbeit und Nationalität, Verurteilungen, Schwarzarbeit) sowie jene, die an den Flughäfen und Seehäfen abgefangen werden. Die Flüchtlinge warten einzig ihre Ausschaffung ab. Die offizielle Zahl der Inhaftierten beträgt 513 (393 Männer, 88 Frauen, 32 Kinder). Der entstandene Schaden war kleiner als in den anderen Lagern (280‘000 Euro) doch dafür die Revolte umso offensiver: Nachdem in der Nacht des 31. Dezembers um 22:30 Uhr sechs Brände bei den Überwachungsinstallationen gelegt werden, versuchen 35 Gefangene auszubrechen indem sie ein Fahrzeug der Wärter stehlen, dass ihnen als Rammbock dienen soll. Doch sie werden von einem Polizeifahrzeug aufgehalten, das das Tor blockiert. Es werden auch Wärter mit Eisenstangen angegriffen. Laut einem Sprecher des Lagers «gingen gleichzeitig in einem anderen Teil von Villawood ungefähr 60-80 «Gefangene» in Aufstand.» Diverse Schlafräume und ein Sportraum werden zerstört, erst drei Stunden später, kann das Feuer gelöscht werden. 15 Gefangene werden anschliessend in des Hochsicherheits-Gefängnis von Silverwater und Parklea (Sydney) gesperrt, man beschuldigt sie des Aufstandes und Ausbruchsversuches. Ihre Nationalitäten zeigen deutlich, dass die Revolte über die falschen Unterteilungen nach Herkunft hinausgeht: China, Vietnam, Spanien, Türkei, Jordanien und England.
Der Gesamtschaden, der durch die Aufstände aller Lager verursacht wurde, wird auf mindestens 4.7 Millionen Euro geschätzt.

England

Der Aufstand, der am 15. Februar 2002, die Hälfte des grössten Internierungszentrum von England, in Asche legte, wurde zum Symbol der Revolten in diesem Land. Jedoch begleiteten auch diverse andere Aufstände, ob während der Verlegung der Gefangenen oder durch Hungerstreiks (wie in Rochester von Januar bis März 1997), die Einrichtung der Lager. Denn ganz im Gegensatz zu seinem Ruf, ist England keineswegs ein friedlicher Zufluchtsort für Immigranten ohne Papiere.
Im Juni 2001, gab es 688 Gefangene in den 10 Internierungszentren und 1142 Sans-Papiers in den Gefängnissen, grösstenteils schlicht aufgrund eines Antrages der Immigrationspolizei. Viele warten dort, meistens in speziellen Abteilungen des Gefängnisses, auf das Resultat ihrer Berufung gegen den abgewiesenen Asylantrag. Nachdem ein Skandal darüber ausbrach, dass Sans-Papiers einzig für dies ins Gefängnis gesteckt wurden, begann man neue Internierungszentren zu bauen… und die Gefängnisflügel in Zentren umzufunktionieren. Bis im Mai 2002, gab es 3500 Plätze, das heisst, eine etwas darüber liegende Anzahl Inhaftierter.

Die Verlegung von einem Internierungszentrum in ein Gefängnis, ist oftmals eine disziplinäre Massnahme. Einige hundert von diesen ¾ der Inhaftierten, die sich in keiner irregulären Situation befinden sondern einen Asylantrag gestellt haben, werden seit September 2000, zum Teil schon länger als ein Jahr festgehalten. Den Asylsuchenden die nicht eingesperrt sind, wird ein Aufenthaltsort zugeschrieben, mit Vorliebe in irgendeiner abgelegenen Ecke. Sie müssen regelmässig in einem enforcement center stempeln gehen, wo man sie dann auch gleich filzt. Sie haben kein Recht darauf zu arbeiten und um sie besser an der Leine zu halten, gibt es eine ärmliche Auszahlung (fast ausschliesslich in der Form von Gutscheinen, die nur in einigen Läden gültig sind und ohne Rückgeld). Den grossen Profit aus dieser Methode schlägt das französische Unternehmen Sodexho, welches die Bons herausgibt.

Ein brennendes neues Zentrum

Das Zentrum von Yarls Wood, verwaltet durch den Privat-Betrieb Group 4 Falck, wurde am 19. November 2001 in Bedfordshire eröffnet und ist mit seinen 900 Plätzen, das zweit grösste von England. Am 10. Dezember fand eine Serie von Hungerstreiks und Essenverweigerungen statt, die am 18. Januar 2002 immer massiver wurden. Ihr Anligen war ein Protest gegen die unmenschlichen Haftbedingungen und insbesondere gegen die Praktik, die Gefangenen beim geringsten Anlass an den Händen zu fesseln (wie z.B. während der Überbringung ins Krankenhaus). Am 14. Februar stellt sich eine Gruppe Gefangener dazwischen, als eine 55 jährige Frau gefesselt über den Boden entlang ins Krankenhaus geschleifft wird (sie war seit drei Tagen krank und bekam keine Medikamente). Der Protest breitet sich wie ein Lauffeuer aus; 200 von ihnen (zur Zeit befinden sich 383 Gefangenen in dem Zentrum) klettern aufs Dach. Um etwa 20 Uhr, wird im Empfangssaal Feuer gelegt und danach auch in den Flügeln D (Männer) und C (gemischt). Die Hälfte des Zentrums steht in Flammen, während es bis um 7 Uhr morgens zu schweren Konfrontationen zwischen Gefangenen und Wärtern kommt. Zwei von ihnen werden angegriffen und ihrer Schlüssel beraubt, vier andere mit Gewalt in einem Büro eingeschlossen. Darauf hin konfrontieren sich die Gefangenen mit der Riot-Polizei, die den Privat-Wärtern zu Hilfe eilt, doch nicht ohne zuerst die Sicherheitskameras und den high-tech Kontrollsaal, wo sich die Video-Aufnahmen befinden, zu zerstören.

Die Feuerwehrleute brauchten eine Stunde, um in das Zentrum zu gelangen und böse Zungen behaupten, dass gewisse Revoltierende versucht hätten sie aufzuhalten, um dem Feuer mehr Zeit für seine Arbeit zu überlassen. Gleichzeitig konnten 20 Gefangene entkommen und trotz zwei Helikoptern und den in die umliegenden Felder und Hügel losgelassenen Spührhunden, wurden nur 8 wieder eingefangen.
Nach dem Brand werden die Gefangenen ins Campfield House (Oxford) überbracht. Das Zentrum wurde geschlossen und nach einiger Zeit wieder eröffnet und ausgebaut. Als die Group 4 Falck eine Werbekampagne lancierte, um ihre Effektivität angesichts der Neueröff-nung auszuführen, wurde jedes ihrer Treffen von Demonstrationen gestört. Der Entscheid im Prozess gegen die elf, aufgrund von Brandstiftung und Aufstand Angeklagten, viel am 15. August 2003: Sieben Freisprüche, drei Verurteilungen für Gewaltanwendung und eine für Aufstand. Sie bekamen bis zu vier Jahre Gefängnisstrafen.

Ein offizieller Bericht, der im November 2004 publiziert wurde, verdeutlichte, dass ein ganz neues Zentrum, zusammen mit zwei weiteren, in äusserster Eile aufgebaut wurden, um der festgelegten Quote von 30‘000 Ausweisungen pro Jahr nachzukommen. Laut dem Bericht, erklärt sich die Geschwindigkeit, mit der sich der Brand ausbreitete, durch die schlechte Qualität des Materials und weil sich keine Brandlöscher im Gebäude befanden. Seine Verfasser waren also ausserstande zu erkennen, dass die Freiheitsberaubung und die untragbaren Haftbedingungen, das Essentielle ausmachten. So wartete der Grossteil der Eingeschlossenen auf ihre Ausschaffung, all ihre Rekurse wurden bereits aufgebraucht und nur ein kleiner Teil kam aus dem Gefängnis. Der Bericht bestätigte ausserdem, dass ein Wärter sich schwer verletzte, als er aus dem Fenster des zweiten Stockes sprang, um den Aufständischen zu entkommen, denen er den Zugang zu den Ateliers versperren wollte. Schlussendlich beläuft sich der Schaden, aufgrund der beiden brennenden und der zum Teil bis zum Dach verwüsteten anderen Trakte, auf 100 Millionen Pfund.

Haromondsworth übernimmt

Doch die Aufstände und Brandstiftungen stoppen keineswegs, jetzt wo sie erst richtig ins Laufen gekommen sind. Nach Yarls Wood im Februar 2002, lässt das Zentrum von Harmondsworth von sich hören, einmal am 19. Juli 2004 und erneut am 29. November 2006.
Sich in der Nähe des Flughafens von Heathrow (westlich von London) befindend, wurde dieses Zentrum à zwei mal 550 Plätzen im Jahr 2001 eröffnet, und durch den Privat-Betrieb UK Detention Services (UKDS) verwaltet. Dieser hat mit dem Innenministerium einen Vertrag von 8 Jahren abgeschlossen. Nach der ersten Revolte, wurde der Betrieb in Kalyx Ltd. umbenannt. Im Mai 2004, kommt es zu einem ersten kollektiven Hungerstreik von 220 Gefangenen, mit dem sie gegen die lange Abhandlungszeit und die Gewalt der Wärter protestierten. Am 19. Juli, um etwa 20 Uhr, wird ein 31 jähriger kosovanischer Asylsuchender erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Seine Asylanfrage wurde gerade abgewiesen und seine Auschaffung wurde auf den folgenden Tag angelegt (zwischen 2001 und 2006, kam es in dem Zentrum zu 17 offiziellen Selbstmorden und alleine schon in den ersten zehn Monaten des Jahres 2006 zu 185 Selbstverstümmelungen). Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer und gegen 23 Uhr weigert sich eine Gruppe von Jamaikanern in ihre Zellen zurück zu kehren. Eine Konfrontation mit den Wärtern wendet sich zu ihren Gunsten und die Wärter ziehen sich zurück. Die Revolte verbreitet sich schnell, die Aufständischen legen Feuer und zerstören die Infrastruktur. Etwas weniger als hundert Leute machen weiter, bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr, als sie durch die Polizei, die Wärter und ihre spezialisierte Anti-Aufrurtruppe (das «Tornado-Team») verprügelt werden. Das Lager von Harmondsworth wird, aufgrund des strukturellen Schadens (22 Millionen Pfund) teilweise geschlossen und verschiedene Gefangene werden umgesiedelt.
Nach diesem Aufstand, scheinen die Haftbedingungen noch stärker denen eines Hochsicherheitsgefängnis zu ähneln. Um ein Beispiel zu statuieren (und nebst den Prügelstrafen), haben die Wärter eine disziplinäre Verordnung eingeführt, den I.P., in ihrem Jargon. Was heisst, nach zwei dieser Verordnungen, wird man umgehend ins Verlies gebracht (eine Stunde Hof am Tag und totale Isolation ohne persönliche Gegenstände). Die Gefangenen erzählten, wie der I.P. natürlich vollkommen willkürlich angewendet wurde, unter anderem wenn man einen Wärter «auf unfreundliche Weise» ansprach oder «nicht kooperierte». Diese Isolation von bis zu 45 Tagen wurde, allein in den ersten 6 Monaten des Jahres 2006, bis zu 129 Mal angewandt. Ein zweiter Faktor für die Explosion liegt in der Verschär­fung der Verhältnisse ausserhalb: Nebst dem Einsperren von Immigranten, die auf ihre Ausschaffung warten oder auf die Überprüfung ihrer abgewiesenen Aufenthaltsbewilligung, ist in den zehn Monaten vor der zweiten Revolte, die Anzahl Immigranten, die vorübergehend im Gefängnis eingesperrt wurden, exponentiell angestiegen. Der Innenminister, John Reid, hatte die Dispositive vergrössert, um die Asschaffung jedes Ausländers zu beschleunigen, der ein Delikt beging, auch wenn er schon seit Jahren die britische Staatsbürgerschaft (oder eine Aufenthaltsbewilligung) besass. Viele junge Immigranten, die in England aufwuchsen, verhedderten sich so in dem Netz der doppelten Strafe.

Ohne die konjunkturellen Gründe für die Revolte herauszufiltern, reicht schon das alleinige Eingesperrtsein an sich, als Erklärung für die Verwüstung des gesamten Zentrums (mit seinen vier Flügeln) zwischen dem 28. und 29. November 2009. Der Aufstand dauert 18 Stunden und 484 Gefangene nehmen daran Teil. Sanitäre Anlagen, Mauern, Fenster, Überwachungskameres; nichts wird verschont. Initiiert um 12:30 Uhr, verbreitert sich die Revolte bis 23:30 Uhr, während das Feuer seine verheerende Aufgabe erfüllt, unterstützt durch grossflächige Überflutungen, die die Brandschutzanlagen verursachen. Auf dem Innenhof formen einige Revoltierende mit Decken ein gigantisches «SOS FREEDOM», ein Bild das der Helikopter des Fernsehsenders Sky News zu verbreiten beginnt. Was sofort dazu führte, dass ein Black-out über die Umgebung des Zentrums verordnet wird, als eine «Opperationszone mit Überflugs-Verbot». Schliesslich findet während den Konfrontationen im C-Flügel des Zentrums, ein Verhandlungsversuch statt: Im Namen der anderen sprechend, akzeptieren die Gefangenen, die unmittelbare Ausschaffung der definitiv Abgewiesenen («lieber deportiert als für unbegrenzte Zeit [bis zu 3 Jahren] in den Windungen der Justiz gefangen») im Tausch gegen die bedingte Freiheit aller anderen. Aber selbst dieser fordernde Reformismus genügt nicht aus, weder um die Intervention der Bullen zu verhindern, noch die Wut der anderen zu dämpfen (Jamaicaner, Iraner, Iraker, Kenyaner, Nigerianer,…), die die Zerstörung vollenden, die zwei Jahre zuvor begonnen worden ist.
Die Gefangenen werden vesetzt und der Schaden auf mehrere Millionen Pfund beziffert.

Campsfield House im Aufstand

Das Internierungszentrum von Campsfield House, mit seiner Kapazität von 218 Plätzen für Asylsuchende (für solche, deren Prozedur noch am laufen ist, aber auch für jene, die auf ihre Ausschaffung warten), liegt in Kidlingtown (Oxfordshire). 1993 eröffnet, wird es von September 2006 bis 2009 durch den amerikanischen Betrieb GEO verwaltet, als Nachfolger von Group 4.

Am 20. August 1997, entstand bei einem gigantischen Aufstand, begleitet von einer Solidaritätskundgebung vor dem Zentrum, ein Schaden von 100‘000 Pfund. 13 Gefangene wurden festgenommen und 9 für Zerstörung und Brandstiftung angeklagt (ein Libanese und drei Karibier wurden aus der Geschichte gezogen, wodurch noch 9 West-Afrikaner übrig blieben, obwohl Leute aller Nationalitäten an dem Aufstand beteiligt waren). In den Gefängnissen von Bullingdon und Reading eingesperrt, wurden sie am 18. Juni 1998 alle freigesprochen.

In letzter Zeit haben erneut verschiedene Revolten die Normalität des unmenschlichen Gefängnislebens gestört und es wieder zu einem aktuellen Thema gemacht.
Im März 2007, bricht gegen 7 Uhr morgens, als Antwort auf die «gewalttätige» Ausweisung eines Mitgefangenen, ein Aufstand aus, dem eine Brandstiftung folgt. Bereits im Juni 2004 war nach der Ausweisung eines Algeriers, eine ähnliche Revolte ausgebrochen. Der Schaden ist nicht genau bekannt, doch man zählt neun Verletzte durch eine Rauchvergiftung, davon sieben Personalmitglieder.
Im August 2007, gelingt es 26 Aslysuchenden während einer Brandstiftung auszubrechen (8 befinden sich noch immer auf freiem Fuss).
Als die Wärter versuchen einen Inhaftierten aus der Zelle zu holen, um ihn anschliessend auszuschaffen, gehen im Dezember 2007 120 Gefangene in den Aufstand. Es finden kurze Konfrontationen statt, und die elektrischen Installationen und Bewachungskameras in den Gängen werden zerstört. Die WC‘s werden verstopft und verursachen die gewünschte Überschwemmung, wodurch ein Teil des Zentrums geschlossen werden muss.
Am 14. Juni 2008 wird erneut Feuer gelegt. 10 Feuerwehrfahrzeuge und ein Helikopter werden benötigt, um den Brand zu löschen.
Am frühen Morgen des 18. Junis 2008, reissen sieben Gefangene aus. Vier von ihnen werden bereits nach kurzer Zeit wieder gefasst (einer wurde an seinem Knöchel verletzt und musste ins Spital gebracht werden, ein anderer versteckte sich im botanischen Garten von Oxford), während zwei Palästinenser und ein Afghane sich noch immer irgendwo draussen befinden.

Frankreich

Die zeitgleichen Brandstiftungen in den zwei Flügeln des Internierungszentrums von Vincennes (Paris) befinden sich noch in guter Erinnerung. Am 22. Juni 2008, folgten sie auf den Tod eines Gefangenen, und führten zur Zerstörung des Zentrums. Dennoch war diese Revolte keineswegs eine isolierte Tat in den letzten Jahren.
Am 18. September 2006, brechen sieben Gefangene aus dem Internierungszentrum von Cornebarrieu (Toulouse-Blagnac) aus. Fünf von ihnen befinden sich noch immer auf freiem Fuss.
Im Dezember 2006, findet im Internierungszentrum von Vincennes, Lyon und Marseille ein kollektiver Hungerstreik statt.
Am 24. Januar 2007, entfachen zwei Brände, einer in jedem der beiden Gebäude des Zentrums von Vincennes. Eines davon wird erheblich beschädigt. Fünf Gefangene (Malaien, Ivorianer, Marokkaner und Tunesier) werden beschuldigt, die Anstifter gewesen zu sein.
Am 17. Juli 2007, steckt ein Kurde ein Teil des Zentrums von Mesnil-Amelot (20 der 120 Plätze) in Brand. Er zündete seine Matratze an, worauf sich das Feuer zu verbreiten beginnt.
In den Internierungszentren von Mesnil-Amelot, Vincennes, Rennes und Nantes begeben sich von Dezember 2007 bis April 2008 zahlreiche Sans-Papiers in Hungerstreik und lösen gelegentlich Konfrontationen mit den Bullen aus.
Am 23. Januar 2008 wird in einem Zimmer in Vincennes von Gefangenen Feuer gelegt. Vier Tage später muss aufgrund von zwei Bränden die Feuerwehr eingreifen.
Am 12. Februar werden in Vincennes erneut zwei Zimmer in Brand gesteckt.
Am 16. März brechen in Canet (Marseille) fünf Gefangene aus dem Internierungszentrum aus; zwei Algerier, zwei Tunesier und ein Marokkaner. Zwei von ihnen sind noch immer auf der Flucht.
Am 6. April werden in Vincennes Bettlaken in Brand gesteckt, Gegenstände in Richtung Bullen geschmissen und die Einrichtungen beschädigt.

Gegen 14:45 Uhr, am Sonntag dem 22. Juni, werden in den zwei Gebäuden des Zentrums von Vincennes, verschiedene Brandherde erzeugt. Die 280 Plätze werden vollständig zerstört, während sich vor dem Zentrum viele Leute versammeln. Am Vorabend war ein 41 jähriger tunesischer Gefangener (Salem Essouli) gestorben, während er stundenlang darauf wartete, ins Krankenhaus gebracht zu werden.

Ein Gefangener bezeugt: «Anstatt von einem “Retentionszentrum” zu sprechen, sage ich immer “Detentionzentrum” (rétention: Zurückhaltung/Internierung – détention: Haft; anm.d.Ü.) und die Bullen mögen das nicht. Aber für mich sind wir hier in einem Gefängnis, wir sind nicht frei. Die Art und Weise wie Menschen ausgeschafft werden; daran zu denken lässt einen den Mut verlieren. Das ist es, was dieses Gefühl der Revolte erzeugte. Wie es zu dem Feuer kam? Wie sie es getan haben? Ehrlich gesagt will ich es gar nicht wissen. Der Tod dieses Mannes hat all diese Gewalt erwachen lassen, ob legitim oder nicht. Aber Revolten kommen doch überall vor. Wenn etwas nicht geht, gibt es Revolten, sogar in der Stadt, im täglichen Leben; es gibt immer Revolten und diese können gewalttätig sein. Eine Revolte, egal welcher Art, bleibt eine Revolte.»

Die Gefangenen werden verprügelt und in der angrenzenden Polizeischule eingepfercht, bevor sie per speziell gemietetem Bus oder TGV ins Zentrum von Rouen-Oissel (22), Lille-lesquin (54), Nîmes-Courbessac (100), Palaiseau (18), Mesnil-Amelot (10) und Paris-depôt-Cite (40) evakuiert werden. Einige werden ausgeschafft, der Grossteil wird freigelassen (93 der 100 die nach Nîmes gebracht wurden zum Beispiel) und oft mitten im Nirgendwo abgesetzt. Seither werden in Fleury und Fesnes sechs Sans-Papiers unter der Anschuldigung von «Zerstörung von Gütern durch Brandstiftung und Gewalt gegen öffentliche Beamte» eingesperrt. Im Oktober startet eine Solidaritätskampagne. Ein neues Zentrum mit 60 Plätzen wird am 10. November in Vincennes eingeweiht. Zwei weitere neue Zentren sind in Planung. Dem Beispiel eines Berichts von Cimade zufolge, einer religiösen «humanitären» Organisation, die diese Lager zusammen mit der Polizei verwaltet (kürzlich lässt eine Ausschreibung ihr Monopol mit anderen Schuften konkurrieren), hat diese Kapazitätsbeschränkung offen zum Ziel, die Gefangenen besser kontrollieren zu können.
Am Sonntag dem 20. Juli gegen 18:30 Uhr, legt ein 44 jähriger Türke, der jeden Moment ausgeschafft werden könnte, in dem Zentrum für administrative Festhaltung (CRA) von Dante, von seiner Zelle aus Feuer. Das Zentrum ist gezwungen vorübergehend zu schliessen und am folgenden Tag werden die sieben anderen Gefangenen, nachdem sie eine Nacht im Polizeikommissariat verbracht haben, ins Zentrum von Rennes-Saint-Jacques-de-Lande gebracht. Der einzige Angeklagte wird am 2. Oktober zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt.
Am Samstag den 2. August, ist das Zentrum von Mesnil-Amelot, dass hinter dem Flughafen von Roissy liegt, an der Reihe. Während zwei Zimmer brennen, finden in dem Block 1 und 4 unter Schreien nach «Freiheit» Konfrontationen statt, allerdings ohne dass das Feuer auf die gesamte Infrastruktur übergreift. «Wir schrien nur mit den draussen anwesenden Demonstranten mit. Die Polizei befahl uns damit aufzuhören und wollte uns auf den Fussballplatz zurück drängen. Wir wehrten uns dagegen und ein Brand entfachte. Die Polizei verstärkte die Gewalt, besprühte uns mit Pfefferspray und prügelte einen jungen Aufständischen nieder», so das Bezeugniss eines Gefangenen.

Was feststeht ist (wie ein Plakat zum Ausdruck bringt, das anfangs November auf den Mauern mehrerer Städte zu zirkulieren beginnt), dass «das Eingeschlossen sein an sich schon Grund genug darstellt, um gegen die Wärter und ihre Stacheldrahtmauern zu rebellieren. Es ist gewiss, dass jedes Individuum, dass noch den Geschmack der Freiheit und die Wut im Herzen hat, nicht anders kann, als sich in diesen zerstörenden Revolten wiederzuerkennen.»

Belgien

Ende Juli 1998 brachen, während einer Kundgebung, zu der von dem alten Kollektiv gegen Ausschaffungen aufgerufen wurde, 31 Personen aus dem geschlossenen Zentrum 127bis in Steenokkerzeel aus. Einige Demonstranten hatten die Umzäunung durchgeschnitten, während die Gefangenen sich mit den Wärtern anlegten und Fenster einschlugen, um ausbrechen zu können. Während der anschliessenden Jagd, wurden sieben Personen wieder festgenommen, die anderen konnten bisher den Klauen der Hunde der Demokratie entkommen. Dieser Ausbruch, liess die Spannung in und um das geschlossene Zentrum definitiv ansteigen.
Am 22. September 1998, wird Semira Adamu bei einem Ausschaffungsversuch im Flugzeug, von zwei Polizisten erstickt. Als es zu Aufrufen kommt, sich vor dem geschlossenen Zentrum 127bis zu versammeln, beschliesst die Regierung, das Zentrum zu leeren. Die Gefangenen die sie als Mittäter oder Freunde von Samira betrachten, werden in andere Zentren verlegt; alle anderen werden frei gelassen.
Diese beiden Geschehnisse markieren die erste Agitationsperiode rund um die geschlossenen Zentren. Die Lager waren zu der Zeit noch viel weniger bewacht – Ausbrüche waren gang und gäbe.
Mit dem Bau eines neuen geschlossenen Zentrums in Vottem, entschied sich der Staat für eine andere Richtung: Nämlich die geschlossenen Zentren zu gesicherten Festungen umzurüsten, die den Haftanstalten gleichkommen. Während die Agitation in den Strassen abnahm und der Kampf gegen die Zentren, sich in einen Kampf für Regularisierung zu verformen begann, restrukturierte der Staat die Zentren und ihre Verwaltung.

In den Jahren 2000 bis 2007, wurden Aufstände und Aubrüche in den Zentren eher selten.
Draussen versuchte eine nationale Koordination von Sans-Papiers (UDEP) und ihre Unterstützer, vor allem eine bestimmte politische Glaubwürdigkeit beim Staat aufzubauen, um dadurch Regularisierungen zu erreichen. Es gab sehr wenig Beachtung für das, was sich in den Zentren abspielte.

Von 2007 an, beginnt sich die Stärke der Wut in den belgischen Gefängnissen definitiv zu zeigen. Die Aufstände und Brandstiftungen lösen sich gegenseitig ab und verbreiten sich beinahe in allen Knästen. Zu dieser Verbreitung haben bestimmt auch die jeweils erfolgten Verlegungen der so genannten Anführer der Revolten, ihren Teil beigetragen. Denn auf diese Weise, konnte sich die Erfahrung der Revolte, in fast jedem Knast der belgischen Demokratie verbreiten.

In zweierlei Hinsicht haben die Meutereien in den Gefängnissen auch die Situation in den geschlossenen Zentren beeinflusst. Einerseits die Tatsache, dass selbst unter den am stärksten «kontrollierten» Bedingungen noch Aufstände ausbrechen (und nicht einer, sondern mit Kontinuität in Zeit und Raum), was wie eine Fackel wirkt. Trotz aller Gitterstäbe, Wärter, Isolationszellen und Schlägen, bleibt die Revolte möglich. Die Angst überlässt ihr Platz dem Bewusstsein, dass die Rebellion vor allem von ihrer eigenen Entscheidung abhängt.
Andererseits, wurden die Häftlinge ohne Papiere, die an den Aufständen in den Gefängnissen teilgenommen haben, anschliessend in die Zentren gebracht, um dort ihre etwaige Ausschaffung ab zu warten. Man muss erwähnen, dass die Dauer dieses administrativen Einsperrens, sich leicht bis zu 6 Monaten (oder sogar noch länger) hinziehen kann. Diese Gefangenen hatten bereits Erfahrung von Revolten in den Gefängnissen, wo die Momente, in denen man mit ein paar duzzend Leuten zusammen ist, ziemlich selten sind (einzig während des Hofganges und bei Aktivitäten wie Sport), während in geschlossenen Zentren, die Gefangenen (mit Ausnahme derjenigen unter besonderen Strafen) die ganze Zeit zusammen sind. Sie werden in Schlafsälen von mehr als 20 Personen gruppiert – was einen kollektiven Aufstand sehr viel einfacher macht.

Im Januar 2007, findet im Gefängnis von Merksplas eine Revolte statt, in deren Verlauf verschiedene Flügel zerstört und zwei Pavillons in Brand gesteckt werden. Zur selben Zeit werden in dem geschlossenen Zentrum, das gleich gegenüber liegt, die Wärter von den Gefangenen angegriffen und zum Teil verwundet. Einen Monat später, starten viele der Gefangenen des geschlossenen Zentrums von Vottem einen Aufstand, sie zerstören den Speiseraum und die «Entspannungsräume». Während den Monaten März und April, gelingt mehr als 40 Menschen die Flucht, aus den insgesamt fünf geschlossenen Zentren von Belgien. Meistens werden die Gitterstäbe und die Umzäunung durchgesägt, in einem Fall in Vottem, greifen verschiedene Gefangene einen Wärter an, nehmen seine Schlüssel und können so entfliehen. Am 25. April 2007, bricht in dem geschlossenen Zentrum 127bis in Steenokkerzeel, ein Aufstand aus. Noch bevor die Polizei intervenieren kann, zerstören die Revoltierenden den Grossteil des einen Flügels, was dessen vorübergehende Schliessung bewirkt. Am 9. Juni konfrontieren sich einige Gefangene des selben Zentrums mit den Wärtern, um die Ausschaffung eines Gefährten zu verhindern. Die Anti-Riot-Polizei braucht mehrere Anläufe, um die Aufständischen zurück in die Schlafsäle zu treiben. Schliesslich wird die Person trotz allem deportiert. Am 30. Juli 2007, schneidet eine Explosion in einem Elektrizitätskasten neben dem geschlossen Zentrum von Merkplas, für eine Weile die Stromversorgung ab. Einige Stunden später weigern sich die Gefangenen, den Hofgang zu beenden, bis die Polizei eintrifft und die Gefangenen zurück in die Schlafsäle zwingt. Nach dem Tod eines 22 jährigen Gefangenen, der einige Tage zuvor aus dem Gefängnis von Lantin hierher gebracht wurde, bricht am 29. September in dem Zentrum von Steenokkerzeel, erneut ein Aufstand aus. Die Revoltierenden zerstören den Aufenthaltsraum und die Sanitäranlagen. Als die Polizei eintrifft, kommt es zu Konfrontationen, die sich über mehrere Stunden hinweg ziehen. Im November 2007, durchsucht die Polizei auf Anfrage der Wärter, die Zentren von Vottem, Steenokkerzeel und Merksplas. Diese fürchteten, dass Gefangene selbst gemachte Waffen anfertigen um einen Ausbruch vorzubereiten. In der Tat findet die Polizei selbst angefertigte Messer, Sägen, Knippzangen,…
Im Jahr 2007 brechen mindestens 80 Personen aus den geschlossenen Zentren von Belgien aus, während leider auch diverse Versuche missglücken.

Am 6. Januar 2008, bricht in dem geschlossenen Zentrum von Merksplas aufs neue ein Aufstand aus. Duzende Gefangene widersetzen sich der Auschaffung eines ihrer Gefährten und verursachen einen Schaden von mehr als 40‘000 Euros. Drei Wärter werden krankenhausreif geschlagen. Eine Woche später wird ihr Gefährte freigelassen. Im Februar begeben sich ungefähr 150 Gefangene verschiedener Zentren in Hungerstreik. Mit dem Streik wird jedoch nichts «konkretes» erreicht.
Am 1. Mai wird ein Gefangener in einer Isolationszelle des Zentrums von Merksplas erhängt aufgefunden. Er wurde vor kurzem von einem Auschaffungsversuch zurückgebracht, der Aufgrund seines Widerstandes missglückte; ein erneuter Versuch hätte an dem nächsten Tag stattfinden sollen. Einige Duzend Gefangene zerstören alles was ihnen in die Hände kommt. Es wird auch der Schlafsaal in Brand gesteckt. Elf Gefangene werden unter Isolation gestellt, einer von ihnen zerstört auch seine Isolationszelle und wird kurz darauf nach Algerien deportiert.
Am 10. Juli, durchsucht die Polizei erneut das Zentrum von Steenokkerzeel. Acht Gefangenen werden, nachdem man mit einem Tuch ihre Augen verbunden hat, in andere Zentren verfrachtet.
Am 21. Juli, dem nationalen Feiertag, klettern zwei Gefangene auf das Dach des geschlossenen Zentrums von Merksplas, während im Inneren ein Aufstand tobt. Zahlreiche Fenster werden zerschlagen und das Mobiliar zerstört. Die Polizei interveniert und treibt die Gefangenen zurück.
Am 24. August, kurz nach Mitternacht, legen einige Gefangenen, an 8 verschiedenen Stellen des Zentrums von Steenokkerzeel Feuer. Da es Nacht ist, verzögert sich der Einsatz der Polizei und der Feuerwehr. Zwei der drei Flügel werden evakuiert und brennen vollständig aus. Ein Gefangener kann fliehen. Der Brand lässt die Kapazität des Lagers auf weniger als 30% schrumpfen. Ein Teil der Gefangenen wird anschliessend in andere Zentren verfrachtet und andere werden in aller Diskretion freigelassen, weil es einfach keinen Platz mehr gibt. Bis jetzt wird für diese Brandstiftung noch niemand beschuldigt.

1 2004 fusioniert die dänische Group 4 Falck mit der britischen Securicor, zusammen ergeben sie Group 4 Securicor (GAS). Anfangs 2008 war GAS nach Securitas der grösste Betrieb für private Sicherheit in Frankreich.

Unless otherwise stated, the content of this page is licensed under Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 License